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Zukunftsvision „Planet Müll“ - wissenschaft.de - wissenschaft.de

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Vermüllt bis ans Ende der Welt: Die Umweltverschmutzung durch Plastikabfälle steigt in erschreckendem Maße, verdeutlicht die bisher umfangreichste Studie zu der globalen Problematik. Besonders bedroht sind die Ozeane, warnen die Forscher: Wenn es so weitergeht, werden sich die Einträge bis zum Jahr 2040 fast verdreifachen. Die Wissenschaftler geben aber auch der Hoffnung Raum: Durch Maßnahmen auf globaler Ebene ließen sich die Belastungen zumindest drastisch eindämmen, geht aus den Modellanalysen hervor.

Jeder hat das Problem schon einmal mit eigenen Augen wahrgenommen, denn die hässliche Signatur der menschlichen Zivilisation wird vielerorts sichtbar: Müll liegt herum oder dümpelt an den Ufern der Gewässer. Besonders problematisch sind dabei die Kunststoffmaterialien aus Verpackungen, Tüten und Co, da sie nur zerfallen, aber nicht mehr aus der Natur verschwinden. Neben den größeren Stücken wimmelt es in Böden und vor allem in den Meeren von diesem sogenannten Mikroplastik. Diese Partikel schädigen die Ökosysteme und letztendlich auch den Menschen, geht aus Studien hervor. Das gesamte Ausmaß der Bedrohung durch die Plastikverschmutzung lässt sich bisher nur erahnen, sagen Experten.

Doch welche Faktoren spielen eine Rolle bei der globalen Verbreitung von Plastikmüll in der Umwelt, wie sieht die zukünftige Entwicklung aus und an welchen Stellen könnte man den Hebel ansetzten? Diesen Fragen ist nun ein internationales Team aus 17 Experten nachgegangen. Sie haben gezielt Informationen zu den Einträgen, den Ursachen und Abläufen gesammelt und ausgewertet. Anhand der Daten entwickelten sie ein Computermodell, um die Bestände und Flüsse von Plastikabfällen auf der ganzen Welt zu verfolgen und die zukünftige Entwicklung abzuschätzen.

Es wird immer schlimmer!

Aus ihren Berechnungen geht hervor: Wenn keine Maßnahmen erfolgen, werden im Zeitraum von 2016 bis 2040 insgesamt 1,3 Milliarden Tonnen Plastik in der terrestrischen und marinen Umwelt landen. Für die empfindlichen Ökosysteme der Meere gelten die Belastungen dabei als besonders kritisch. Hält der derzeitige Trend an, wird die Menge des Kunststoffs, die jedes Jahr in die Ozeane gelangt, in den nächsten 20 Jahren von 11 Millionen Tonnen auf 29 Millionen Tonnen ansteigen.

Da Plastik kaum biologisch abgebaut wird, könnte die Menge in den Meeren bis 2040 insgesamt um 600 Millionen Tonnen steigen – das entspricht dem Gewicht von mehr als drei Millionen Blauwalen. „Die Studie ermöglicht erstmals einen umfassenden Einblick in die schwindelerregenden Mengen von Kunststoffabfällen, die in den terrestrischen und aquatischen Ökosystemen der Welt landen. Wir haben jetzt zudem ein viel klareres Bild von den Quellen der Verschmutzung“, sagt Co-Autor Costas Velis von der University of Leeds.

Wie die Forscher berichten, ist das Grundproblem: Rund 95 Prozent der Kunststoffverpackungen werden nur einmal verwendet, bevor sie zu Abfall werden. Als wichtigste Ursache der Verbreitung des Mülls in der Umwelt identifizierten die Forscher die mangelnde Entsorgung von Siedlungsmüll in den eher ärmeren Regionen der Welt. Demnach wird momentan etwa ein Viertel des gesamten Kunststoffabfalls nicht gesammelt, so dass es dem Einzelnen überlassen bleibt, ihn selbst loszuwerden – mit fatalen Folgen. Der „wild“ deponierte Müll verbreitet sich anschließend in der Umwelt und landet dann schließlich auch im Meer. Ohne Gegenmaßnahmen wird sich dieses Problem aufgrund der demografischen Entwicklungen auf der Welt noch deutlich verschlimmern, warnen die Forscher: Bis 2040 könnte ein Drittel aller anfallenden Kunststoffabfälle nicht gesammelt werden.

Hauptproblem: Mangelnde Entsorgung

„Das Ausmaß wäre sogar noch deutlich größer, wenn nicht eine riesige Abfallmenge in einigen Regionen offen verbrannt würde – aber diese Verbrennung verursacht ebenfalls erhebliche Umweltprobleme“, sagt Velis. Sein Kollege Ed Cook erklärt dazu: „Moderne Verbrennungsanlagen mit Luftreinhaltungstechnologie emittieren nur sehr wenige gefährliche Stoffe. Aber bei offener Verbrennung entstehen viele Arten von gesundheitsschädlichen Substanzen. Dieses offene Verbrennen reduziert zwar die Menge an Plastik, wirft aber auch viele andere Probleme auf und leistet zudem einen bedeutenden Beitrag zur globalen Erwärmung“, so der Forscher.

Wie aus den Modellierungen der Forscher hervorgeht, können sofortige und konzertierte Anstrengungen die Belastungen der Umwelt durch Plastik stark eindämmen. Demnach ließe sich durch real umsetzbare Maßnahmen das Ausmaß von insgesamt 1,3 Milliarden Tonnen im Zeitraum von 2016 bis 2040 auf 710 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle senken. Dies würde allerdings immer noch einer Verschmutzung der terrestrischen Umwelt mit 460 Millionen Tonnen und einer Gewässerbelastung von 250 Millionen Tonnen entsprechen.

Gegensteuern ist möglich!

In Ländern mit hohem Einkommen sollte der Schwerpunkt darauf liegen, den Kunststoffverbrauch zu senken sowie das Produktdesign und das Recycling zu verbessern, sagen die Wissenschaftler. Zudem sollte es keine Müllexporte mehr geben. Der einflussreichste Einzelfaktor bei der Verringerung der globalen Umweltverschmutzung wäre allerdings die Verbesserung der Abfallsammeldienste in den ärmeren Ländern. „Unsere Modellierung zeigt, dass jede zusätzliche gesammelte Tonne Kunststoff die Verschmutzung der aquatischen Umwelt um 0,18 Tonnen reduziert“, sagt Velis. „Im Mittelpunkt der Lösungsansätze sollte daher die Bereitstellung von Dienstleistungen und Infrastrukturen für die Entsorgung stehen“.

Es ist den Forschern zufolge auch sinnvoll, das bisherige informelle Abfallsammelsystem zu fördern: Viele Menschen leben weltweit davon, nicht gesammelten Abfall nach Material zu durchsuchen, das sie zum Recycling weiterverkaufen können. Schätzungen zufolge sammeln sie etwa 58 Prozent des gesamten Kunststoffmaterials, das weltweit recycelt wird. „Ohne die Müllsammler im globalen Süden wäre die Masse an Kunststoffen, die in die Umwelt gelangt, erheblich größer“, sagt Velis. Die Einbeziehung und Förderung der Müllsammler ist deshalb entscheidend für die Unterstützung der Kreislaufwirtschaft im globalen Süden.

Die Wissenschaftler betonen, dass es keine simplen Lösungen gibt, die den Fluss von Plastikabfällen in die Umwelt und vor allem in die Ozeane reduzieren könnten. Im Rahmen ihrer Studie zeigen sie allerdings die Ansatzmöglichkeiten auf, die zusammengenommen den Kunststofffluss in die Ozeane um 80 Prozent des für 2040 prognostizierten Niveaus reduzieren könnten. „Die entsprechenden Interventionen sind alle mit bestehenden und bereits ausgereiften Technologien durchführbar“, sagt Cook. Er und seine Kollegen hoffen nun, dass es die Menschheit tatsächlich schafft, dem globalen Müllproblem gegenzusteuern.

Quelle: University of Leeds, Pew Charitable Trusts, Fachartikel: Science, doi: 10.1126/science.aba9475




July 23, 2020 at 11:00PM
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