Plastik zerstört unseren Planeten: 1,3 Milliarden Tonnen: Forscher zeigen, wie wir 80 Prozent Plastik verhindern können
Donnerstag, 23.07.2020, 20:01
Schon jetzt findet sich Plastikmüll in den entlegensten Weltregionen. Bis 2040 wird sich das verschärfen. In den Meeren etwa wird dann doppelt so viel Plastik schwimmen wie jetzt, sagen Forscher – und prüften nun Szenarien, wie wir das Problem lösen könnten.
Wir haben es in der Hand: Um knapp 80 Prozent könnte die Verschmutzung der Umwelt mit Plastik bis zum Jahr 2040 reduziert werden. Dazu müssten wir jetzt weltweit koordinierte Anstrengungen unternehmen. Diese müssten an mehreren Punkten gleichzeitig ansetzen – sowohl bei der Nutzung von Plastik als auch bei der Verarbeitung und dem Recycling von Plastikmüll. Das ist das Ergebnis einer im Fachmagazin „Science“ veröffentlichten Studie eines internationalen Forscherteams um Winnie Lau vom Pew Cheritbale Trust, einer NGO, die sich dem Umwelt- und Naturschutz verschrieben hat.
Weltweit produzieren und nutzen die Menschen immer mehr Plastik, in etwa 95 Prozent der Fälle als Einwegprodukte, Plastikmüll verschmutzt die Umwelt – egal ob als Mikro- oder Makroplastik. Das ist ein Problem, dessen Ausmaß und Auswirkungen immer deutlicher werden und dem sich die Wissenschaft in den vergangenen Jahren zunehmend widmet.
Spannend, aber gerade keine Zeit?
Allein in die Meere gelangen etwa acht Millionen Tonnen Makroplastik und zusätzlich 1,5 Millionen Tonnen primäres Mikroplastik. Die Kunststoffe finden sich inzwischen in den entlegensten Polarregionen und Hochgebirgen, in allen Regionen und Tiefen der Meere, in Mägen und Muskelgeweben von Tieren, ebenso wie in der Troposphäre. Auch die Auswirkungen auf den Menschen rücken zunehmend ins Bewusstsein.
Masse an Interventionen notwendig
Bis zum Jahr 2040 könnte sich das Problem verschärfen. Mehr als 1,3 Milliarden Tonnen Plastik werden dann seit 2016 laut Lau und Kollegen von uns in die Ozeane oder an Land eingetragen.
Dennoch: Eine Strategie mit messbaren Maßnahmen, die dem Plastikproblem beikommen möchte, gibt es bisher nicht. Die Wissenschaftler um Lau entwickelten nun fünf Szenarien, um zu prüfen, welche Interventionen besonders hilfreich sind:
- Business-as-usual - also alles bleibt beim Alten
- Einsammeln und Entsorgen von Plastikmüll
- Recycling
- Verringerung der Plastikmenge
- die gleichzeitige Anwendung aller zuvor genannten Maßnahmen
Als besonders effektiv, um Plastikverschmutzung der Umwelt zu vermeiden, erwies sich keine der Maßnahmen alleine. Die Wissenschaftler kommen zu dem Ergebnis, dass vielmehr ein Systemwechsel notwendig sei und alle Interventionen zusammen umgesetzt werden müssten.
Dann würden wir zwar fast 80 Prozent der Umweltverschmutzung durch Plastik vermeiden, aber bis 2040 dennoch 710 Millionen Tonnen in die Umwelt eintragen. Zum Vergleich: Im Jahr 2015 wurden weltweit insgesamt 380 Millionen Tonnen Plastik hergestellt.
Das Ziel ist erreichbar
Die Maßnahme, die noch am vielversprechendsten erschien, war das Einsammeln und Entsorgen von Müll. „Das Einsammeln von Müll ist tatsächlich der effektivste Weg, um Umweltverschmutzung vorzubeugen“, erklärt Costas Velis von der Universität Leeds, der ebenfalls an der Studie beteiligt war. Daher sollte dem Wissenschaftler zufolge das Herzstück jedes Lösungsversuchs bei einer guten Abfallwirtschaft und Infrastruktur liegen.
Auch wenn die Aufgabe groß ist, sind die Autoren der Studie überzeugt, dass das Ziel erreichbar ist, wenn wir jetzt schon vorhandenes Wissen und Technologie nutzen. Wichtig sei es demnach:
- die Plastikproduktion nicht weiter steigen zu lassen.
- Plastik durch Papier oder kompostierbare Materialien zu ersetzen.
- Produkte zu designen, die recycelbar sind.
- die Müllsammlung in Ländern mit mittleren oder geringeren Einkommen in deutlich auszubauen.
- Einrichtungen als vorübergehende Maßnahme zu errichten, die Plastik aus der Welt schaffen, das nicht ökonomisch recycelt werden kann.
- Plastikmüll-Exporte zu reduzieren.
„Mit dem Verbieten von Wattestäbchen und Einweggeschirr haben wir das Problem noch lange nicht im Griff.“
„Diese Studie stellt einen wichtigen Meilenstein dar auf unserem Weg, unsere Plastik-Emissionen zu reduzieren“, bewertet Melanie Bergmann vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhafen die Studie. Die Meeresökologin selbst war nicht an der Untersuchung beteiligt.
„Viel zu lange haben sich viel zu viele von uns nicht dem Ernst der Lage gestellt und positioniert, und es hat sich fast nichts, oder zumindest nichts Signifikantes geändert. Obwohl es in den letzten Jahren unglaublich viele Studien zum Thema Plastik/Mikroplastik gegeben hat“, sagt Bergmann, „auch weil solche Zahlen fehlten, und viele glaubten, mit ein bisschen Recycling sei es schon getan.“
Das sei nicht der Fall, wie die Studie nun zeige. Genau das sei wichtig: „Denn worauf sie hindeutet: Mit dem Verbieten von Wattestäbchen und Einweggeschirr haben wir das Problem noch lange nicht im Griff.“
Folgen der Plastikverschmutzung sind ungewiss
„Schon jetzt sind selbst entlegene Gebiete – wie die Arktis oder die Tiefsee – stark betroffen. Mit dem Plastik werden sich die anhaftenden Schadstoffe in der Umwelt ausbreiten und damit auch in unsere Nahrungskette“, erklärt die Meeresökologin weiter.
Die Folgen sind ungewiss: „Sie könnten von einer weiteren Verweiblichung, erhöhten Entzündungsreaktionen und vielleicht sogar bis hin zu einem erhöhten Krebsrisiko reichen, besonders in den Regionen, in denen Plastikmüll unzureichend gemanagt und offen verbrannt wird“, sagt Bergmann. Sie fordert die Politik auf, verstärkt zu handeln, indem sie etwa „mehrlagige Plastikverpackungen verbieten oder signifikant verteuern, da diese sich kaum noch verwerten lassen und die Steuerzahlenden letztlich viel Geld kosten.“
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Dennoch: Aus vielen Bereichen unseres Lebens ist Plastik nur schwer wegzudenken, wie Rita Triebskorn, Leiterin der Arbeitsgruppe Physiologische Ökologie der Tiere der Eberhard Karls Universität Tübingen sagt, „zum Beispiel im Zusammenhang mit Hygiene – beziehungsweise es gibt noch keine Alternativen.“ Deshalb sei die Forderung am Ende der Studie nach Innovation besonders wichtig.
Welchen Einfluss auf die Covid-19-Pandemie auf unseren Plastikkonsum?
„Wie die Autoren bin auch ich der Meinung, dass an möglichst vielen ‚Stellschrauben‘ gleichzeitig gedreht werden muss, um das Problem in den Griff zu bekommen. Hierbei müssten meines Erachtens politische Schritte intensiviert und verschärft werden, um auch das gesellschaftliche Bewusstsein für die Dringlichkeit der Problematik noch weitreichender zu stärken“, bestätigt Triebskorn.
Eine spannende weitere Frage wirft Stefan Krause, Professor an der School of Geography der University of Brimingham auf, nämlich, wie sich die aktuelle Corona-Pandemie auf den Plastikverbrauch der Welt auswirkt.
Schließlich sei damit ein rasanter Anstieg im Gebrauch von Einwegplastik für persönlichen Infektionsschutz in professionellem wie auch privatem Bereich verbunden. Krause stellt die Frage, ob das „zu einer Umkehr in unserem Umgang mit Plastik führt, und ob die sich daraus ergebenden Tendenzen noch drastischere Szenarien als die in der Studie betrachteten Projektionen darstellen.“
Spanien: Corona-Krise und der Plastikmüll
lik
July 24, 2020 at 01:01AM
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