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Lübcke-Mord: Die entscheidende Spur hatte schon im Müll gelegen - vorwärts.de

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Es war ein Hauch von Nichts, der Stephan E. zum Hauptverdächtigen für den Mord an Walter Lübcke werden ließ. Die DNA-Spur, die den Ermittler*innen den Weg zu dem polizeibekannten Kasseler Neonazi wies, habe aus nicht mehr als einer einzigen Hautschuppe bestanden, berichtete Chefermittler Daniel Muth am Donnerstag beim Prozess vor dem Frankfurter Oberlandesgericht. Und dass sie überhaupt entdeckt und ausgewertet werden konnte, war offenbar alles andere als selbstverständlich.

Nicht nur, sagte der Leiter der ermittelnden Soko „Liemecke“, sei die nötige „Einzelhautschuppenanalyse“ eine derart aufwendige Methode, dass sie nur von manchen Landeskriminalämtern eingesetzt werde – unter anderem, zum Glück, vom hessischen. Auch das Hemd des erschossenen Kasseler Regierungspräsidenten, auf dem die winzige Hautschuppe schließlich aufgespürt wurde, wäre der Polizei um Haaresbreite durch die Lappen gegangen. „Das Oberhemd“, sagte Muth, „lag bereits im Mülleimer des Behandlungssaals im Kreiskrankenhaus.“ Entsorgt von den Ärzten, die vom Einschussloch im Kopf des CDU-Politikers nichts bemerkt hatten. Das war erst der Kripo aufgefallen, mehr als vier Stunden nachdem Lübcke am späten Abend des 1. Juni 2019 auf der Terrasse seines Hauses in Wolfhagen-Istha getötet worden war.

Ohne Schuppe wäre es nie zum Prozess gekommen

Seit Juni muss sich Stephan E. wegen dieses Mordes vor Gericht verantworten. Doch wäre der Soko nicht der Zufall in Form der einzelnen am Tatort hinterlassenen Hautschuppe zu Hilfe gekommen, das war an diesem 13. Verhandlungstag deutlich herauszuhören, dann wäre es zu diesem Prozess vielleicht nie gekommen. Zwar waren die Ermittler*innen bereits eine Woche nach dem Mord zu der Erkenntnis gelangt, dass ein rechtsextrem motiviertes Verbrechen am wahrscheinlichsten sei.

Doch der einzige Ansatzpunkt, den sie hatten, war die Bürgerversammlung vom Oktober 2015 zur Unterbringung von Geflüchteten in Lohfelden bei Kassel, bei der Lübcke auf pöblerische Zwischenrufe mit jenen Sätzen reagiert hatte, die ihm fortan Hass, Hetze und Morddrohungen von Rechten aus dem ganzen Land eintrugen: „Es lohnt sich, in unserem Land zu leben. Da muss man für Werte eintreten, und wer diese Werte nicht vertritt, der kann jederzeit dieses Land verlassen, wenn er nicht einverstanden ist. Das ist die Freiheit eines jeden Deutschen.“

Die Soko habe „mit Hochdruck“ versucht, die Besucher*innen dieser Veranstaltung auf Fotos zu identifizieren, sagte Muth. Aber das sei wegen der Bildqualität schwierig gewesen. Und die Aussicht auf Erfolg war ohnehin sehr begrenzt: Stephan E. und sein mitangeklagter Neonazi-Kamerad Markus H. hatten die Versammlung zwar tatsächlich besucht; von Markus H. stammte sogar das Youtube-Video von Lübckes Worten, das den Hass auf den Regierungspräsidenten entfesselte. Doch ob sie, ganz hinten im Saal stehend, je auf den Fotos entdeckt worden wären, ist mehr als fraglich.

Spuren deuten auf einen Einzeltäter hin

So schnell also hätte wohl keine Spur zu Stephan E. geführt. Und ohne dessen Aussagen im Ermittlungsverfahren wäre auch Markus H. nicht in den Fokus der Ermittlungen geraten. Wegen Beihilfe zum Mord hat die Bundesanwaltschaft den einstigen Freund und Vertrauten des mutmaßlichen Haupttäters angeklagt, den Angaben folgend, die Stephan E. in seiner ersten polizeilichen Vernehmung gemacht hatte. Mittlerweile bezichtigt der 46-Jährige seinen früheren Kameraden allerdings der Mittäterschaft: Der 44-Jährige habe mit ihm nicht nur das Schießen geübt, sondern sei auch bei der Tat dabei gewesen.

Spuren, die diese Darstellung stützen könnten, haben die Ermittlungen jedoch keine zutage gefördert – auch das wurde durch die Ausführungen des Soko-Chefs vor Gericht deutlich. Vor allem: Rund um die Terrasse von Lübckes Haus wurden keinerlei Fußabdrücke gefunden, die auf mehr als einen Täter hindeuten würden. Und die zu den Laufwegen passen könnten, die Stephan E. für seinen angeblichen Mittäter beschrieben hat. Stattdessen kann sich die Verteidigung von Markus H. auf eine WhatsApp-Nachricht berufen, die vom Handy ihres Mandanten zur Tatzeit an eine „Karibikschlumpfine“ geschickt wurde – und das offensichtlich nicht aus Wolfhagen-Istha. Ob Markus H. wirklich selbst der Absender gewesen sein muss oder ob es auch ein gezielt inszeniertes Alibi sein könnte, wurde bislang freilich nicht erörtert.

Der Prozess wird am Dienstag fortgesetzt. Dann ist unter anderem die Ehefrau von Stephan E. als Zeugin geladen.




August 28, 2020 at 03:35AM
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