Alle paar Monate bekommt Dodi Reifenberg (60) ein Paket von Freunden und Künstlerkollegen irgendwo aus der Welt. Darin wie immer: Plastiktüten. Sie sind sein Rohmaterial, seine Farben, aus ihnen macht der Israeli, der seit 1988 in Berlin lebt, seine Bilder.
„Ich wollte ein Material, das eigentlich Müll geworden wäre, zu Kunst machen. Es sollte unserem Leben ähnlich sein, und eines der Merkmale ist für mich die Fragilität.“
Und in der Tat, so sehr die Plastiktüte im Verruf steht, weil sie Meere verdreckt und das Material auf der einen Seite nur schwer zersetzlich ist, so fragil sind seine Bilder: Die Oberflächen sind durchscheinend, einigen sind die Farben ausgeblichen über die Jahrzehnte.
„Diese Bilder haben offenbar direkten Besuch vom Sonnenlicht gehabt“, sagt Reifenberg, als er im Willy-Brandt-Haus alte Bilder wiedersieht, die Sammler für die Ausstellung „Überleben im Müll“ ausgeliehen haben.
Sein Motiv: Plastik, Mensch und Umwelt
Hier zeigt Reifenberg seine Bilder neben Fotografien der Fotojournalisten Christoph Püschner und Hartmut Schwarzbach, die die globalen Auswirkungen unserer Müllproduktion zeigen.
„Sonne verändert die Farben. Die Arbeit altert vor deinen Augen wie ein Mensch.“ Aber er weist seine Sammler jetzt immer darauf hin, wie gerade, als er zwei Porträts nach London verschickt hat. Für Restauratoren sind seine mit normalem Klebeband zusammengehaltenen Bilder vermutlich ein Alptraum. „Die haben keine Erfahrung damit. Es gibt ja sonst niemanden, der damit arbeitet.“
Reifenberg ist stolz auf seine Malweise: Als erstes geht er im Internet auf die Suche nach einem Motiv, oft im Zusammenhang mit Müll: Kinder auf der Müllkippe, Plastiktüte im Baum, Plastik im Meer. Manchmal fügt er noch etwas Müll hinzu, nimmt etwas weg. „Damit die Komposition stimmt.“
Es ist ein bisschen wie Teppich machen
Dann druckt er es in der gewünschten Größe aus und beginnt mit seinem Plastikschnipselpuzzle. Der Künstler nennt die Tütenteilchen „Snips“ oder „Snippets“ und verbindet immer eckige Schnipsel mit Klebeband zu einem Ganzen, arbeitet sich von unten nach oben vor. „Ist ein bisschen wie Teppich machen.“
Mehrere Monate braucht er für ein großformatiges Bild. „Finanziell lohnt sich das nicht, auch wenn meine Kunst nicht billig ist.“ Und anstrengend ist sie auch. Reifenberg unterbricht seine Arbeit alle 50 Minuten für Gymnastik, ab und zu gibt ergibt sich auch eine Zwangspause. „Manche Arbeit muss warten, bis ich eine Tüte in der richtigen Farbe finde.“
Noch rund 15 000 Plastiktüten vorrätig
Schwer sind pastellige Farben, wie etwa Hauttöne, zu finden. „Tüten sind ja Werbung, da dominieren die knalligen Farben.“
Das 2019 beschlossene Plastiktütenverbot sieht er kritisch. „Gott sei Dank habe ich noch 15 000 Tüten. Aber man sieht das Ende am Horizont. Und ich denke, das ist auch richtig so. Aber für mich ist die Plastiktüte nur ein Symbol. Und nicht das größte Problem. Unsere Handys zum Beispiel, die alle zwei Jahre kaputtgehen, sind ein viel schlimmeres Umwelt- und Rohstoff-Problem.“
Willy-Brandt-Haus, Stresemannstr. 28, Kreuzberg, 27.6.–30.8., Sa. & So., 10–20 Uhr, Eintritt frei, Ausweis erforderlich, Zugang nur mit Zeitfensterticket ! Buchungen sind hier möglich
July 25, 2020 at 02:28PM
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Kunst aus Plastiktüten! Gemälde aus Müll – gegen den Müll - B.Z. Berlin
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