Die Gelstertaltrasse soll reaktiviert werden – das fordert der BUND, um die Verkehrsbelastung auf der B 451 zu verringern. Die Forderung stößt jedoch vor allem bei ansässigen Firmen auf Skepsis.
Witzenhausen – Nach DS Smith und Essity hat sich nun auch die Firma B+T Energie auf HNA-Anfrage skeptisch zu einer Reaktivierung der Bahntrasse ins Gelstertal geäußert. Der Ver- und Entsorgungsbetrieb aus Alsfeld (Vogelsbergkreis) betreibt das Ersatzbrennstoffkraftwerk – in Witzenhausen als „Müllkraftwerk“ bekannt.
Der Schienenverkehr
Die Betriebserlaubnis für das Kraftwerk aus dem Jahr 2005 sah vor, dass B+T regelmäßig eine Anlieferung per Schiene prüfen muss. 2019 forderte das Regierungspräsidium Kassel B+T dazu auf, die Firma habe nach Rücksprache mit der Deutschen Bahn ein Konzept vorgelegt, so eine RP-Sprecherin: „Im Ergebnis wurde festgestellt, dass der Bahntransport sowohl unter den derzeitigen Verhältnissen als auch im Fall der Wiederherstellung der Bahnstrecke unter Berücksichtigung des notwendigen Straßenvor- und -nachlaufs per Lkw sowie weiterer Rahmenbedingungen keine ökologisch vorteilhaftere Lösung darstellt.“
Die Gründe erklärt B+T-Prokurist Dr. Kurt Wengenroth gegenüber der HNA:
- Keine Müllaufbereitungsanlage, die B+T Brennstoffe liefert, habe einen Bahnanschluss oder liege in der Nähe eines solchen. Wolle man den Müll per Bahn anliefern, müsste man ihn etwa an der Kreismülldeponie Weidenhausen auf Lkw verladen, in Sontra auf den Zug umladen, der über Kassel gen Eichenberg fährt. Aktuell wird der Müll per Lkw 30 Kilometer über die B 27 transportiert.
- Für einen Müll-Transport per Bahn brauche man Spezialcontainer: Diese hätten nur eine Zuladung von 17 Tonnen, bei Lkw seien es 25 Tonnen, so Wengenroth: „Um die gleiche Menge Müll zu transportieren, hätte man sogar mehr Verkehr zum Bahnhof.“
- Selbst wenn der Waggon aufs Betriebsgelände rollen würde, wäre das Abladen extrem aufwendig, so Wengenroth. Denn das Kraftwerk sei so gebaut, dass der Müll hinten aus Schubboden-Lkw in die Bunker abgekippt wird. Waggons könnten nur seitlich entladen werden. Für den Bau einer Einrichtung zum Kippen von Waggons sei auf dem engen Gelände nicht genug Platz.
Da sich an diesen Rahmenbedingungen seit 2005 nichts geändert habe, habe man die Änderung der Betriebserlaubnis beantragt. Dem gab das Regierungspräsidium im Juli diesen Jahres statt, bestätigt die RP-Sprecherin.
Das Gleis
In der Betriebserlaubnis gab es die Auflage, „keine irreversiblen Maßnahmen zu treffen, die einer Reaktivierung des bestehenden Gleisanschlusses entgegenstehen“. Wie Vertreter von DS Smith und B+T jedoch bestätigen, gibt es auf dem Firmengelände keinen Gleisanschluss mehr, Teile der ehemaligen Trasse dienen heute asphaltiert als Firmenzufahrt. Das sei dem RP bekannt, räumt die Sprecherin ein.
Ob der Rückbau zulässig war, kann sie nicht sagen. Dazu seien umfangreichere Recherchen nötig, die „in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich waren.“
Die Lkw-Zulieferung
2019 wurde die erlaubte Zahl der Lkw für den Transport von Brennstoffen, Hilfsstoffen und Aschen von 70 auf 80 Lkw erhöht, das entspricht 160 Fahrbewegungen für Hin- und Rückfahrt. Zudem sind 20 Lastwagen an Sonn- und Feiertagen erlaubt, bestätigt das RP. Die Behörde kontrolliere das „anlassbezogen etwa durch Kontrolle der im Betriebstagebuch vermerkten Anlieferungen“.
Kraftwerk als Energielieferant für Papierfabrik
2005 wollte SCA, der frühere Betreiber der Karton-Papierfabrik, die Energieversorgung von Gas auf Ersatzbrennstoffe – also Müll – umstellen, sagt Dr. Kurt Wengenroth. B+T baute als Investor das Kraftwerk passgenau als Energielieferant für die Papierfabrik, die heute von DS Smith betrieben wird. Das Kraftwerk habe bis vergangenes Jahr insgesamt 63 Megawatt Dampf und 16 Megawatt Strom für die Fabrik produziert, sechs Megawatt Strom seien ins öffentliche Netz eingespeist worden.
Da DS Smith seit einer Kapazitätserhöhung 2019 mehr Energie benötige, sei der Anteil an Strom für das öffentliche Netz gesunken. Laut einem Protokoll des Kreisverbands der Grünen nach einem Gespräch mit SCA 2003 sollten durch das neue Kraftwerk die Energiekosten für die Papierfabrik um 14 Millionen Euro pro Jahr reduziert werden.
Aktuelle Zahlen nennt Wengenroth nicht. Das Kraftwerk laufe bis heute profitabel. B+T sei einer der größten Gewerbesteuerzahler der Stadt Witzenhausen.
BUND: „Reaktivierung der Bahntrasse ist möglich“
Trotz des Widerspruchs der betroffenen Firmen hält der BUND-Ortsverband Witzenhausen/Neu-Eichenberg an seiner Forderung fest, dass die Reaktivierung der Gelstertaltrasse die schnellste und einfachste Lösung für die hohe Verkehrsbelastung sei.
Da mit einem Neubau der Werrabrücke noch mehr Verkehr durch Witzenhausen fließen würde (HNA berichtete), werde man zur Not dagegen klagen, so Matthias Klipp vom BUND. Wann die neue Brücke dann komme, sei offen. Bereits jetzt litten die Menschen in Witzenhausen, Wendershausen, Stiedenrode und Ermschwerd unter dem Schwerverkehr. Der jüngst verabschiedete Lärmaktionsplan des RP sei nur eine Bestandsaufnahme, schlage aber keine Lösungen vor; sein Wohnort Wendershausen, wo seit Jahren Anlieger gegen den Verkehr protestieren, tauche darin nicht mal als Lärmkonfliktpunkt auf, so Klipp. „Nachhaltige Regionalplanung sieht anders aus.“
Bereits ein Gutachten der Firma Infra Consult (Berlin) im Auftrag von SCA, das der HNA vorliegt, kam 2005 zu dem Schluss, dass „die Reaktivierung der bestehenden DB-Nebenbahnstrecke zwischen Witzenhausen-Süd und Eichenberg sich als wirtschaftliche Transportalternative für das geplante SCA-Heizkraftwerk“ abzeichne. Das Gutachten ging damals von 2,8 Millionen Euro für die Reaktivierung aus.
Aktuellere Daten gebe es nicht, räumt Klipp ein. Der BUND hat das Projekt beim Programm „Witzenhausen 2030“ eingebracht. Darüber könnte ein neues Gutachten in Auftrag gegeben werden, schlägt er vor. Die Stadt könnte sich die Kosten mit den Firmen teilen, zudem gebe es für solche Gutachten Fördermittel.
Dass sich die Firmen an den Kosten für eine Reaktivierung der Trasse beteiligen müssten, steht für den BUND außer Frage. Aktuell gebe es eine Privatisierung der Gewinne, während die Allgemeinheit die Kosten für die Infrastruktur tragen müsse, so Klipp. Das habe 15 Jahre funktioniert, aber so könne es nicht weitergehen. Alle Beteiligten müssten wenigstens gemeinsam die Möglichkeiten ernsthaft prüfen. Da die Stadt das Projekt bei „Witzenhausen 2030“ nicht nachvollziehbar vorantreibe, wolle der BUND nun das Gespräch mit den Firmen suchen. Dabei wolle man sich vor allem auf DS Smith konzentrieren: Die Papierfabrik hat den meisten Zulieferverkehr im Gelstertal (nach Firmenangaben 150 Lkw/Tag, das entspricht 300 Hin- und Rückfahrten) und war bis kurz vor Stilllegung der Trasse per Bahn beliefert worden. Laut Klipp wäre es schon eine Entlastung, wenn ein Teil der Logistik auf die Schiene verlegt werde.
(Friederike Steensen)
August 02, 2020 at 12:00PM
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Müll kann nicht per Schiene kommen - hna.de
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Müll
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