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Wie ein Bremer Ehepaar gegen die Vermüllung arbeitet - WESER-KURIER

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„Vor Corona gab es das so extrem nicht“: André Jakubassa reinigt den Osterdeich.

„Vor Corona gab es das so extrem nicht“: André Jakubassa reinigt den Osterdeich. (Christina Kuhaupt)

Kurz vor dem Kiosk wird der Wagen langsamer. Der Transporter ruckelt im Schritttempo über den Osterdeich, der Fahrer reckt den Hals aus dem Fenster und zeigt auf eine Treppe. „Dahinter wird es heftig“, sagt André Jakubassa, „da beginnt die andere Seite.“

Der Osterdeich, so wie ihn Reinigungsmann Jakubassa sieht, ist in Abschnitte unterteilt. Vor dem Weserstadion, in der Nähe des Café Ambiente, da hockten die Weintrinker, die außer Flaschen nicht viel liegen ließen. Einige Meter weiter, Höhe Sielwall, rund um den Kiosk, gehe es abends wilder zu. Andere Leute, anderer Müll, mehr vor allem. Schnapsflaschen, Einweggrills, Essensreste.

Ein Haufen Pizzakartons

Dorthin lenkt Jakubassa den Wagen. Vor einem Haufen Pizzakartons hält er an und steigt aus. Mit einer Greifzange schnappt er nach den Schachteln, eine nach der anderen wandert in einen Müllsack. Der Mann in der orangefarbenen Uniform sagt: „Vor Corona gab es das so extrem nicht.“

André Jakubassa arbeitet zusammen mit seiner Frau Sandra für eine Firma, die im Auftrag des Umweltbetriebs einen großen Teil der Bremer Grünflächen reinigt. Früher haben die beiden, er 42, sie 37, den Osterdeich drei Mal in der Woche vom Müll befreit. Seit der Pandemie räumen die Jakubassas und ihre Kollegen dort ein Mal täglich auf, am Wochenende öfter. „Die Leute gehen seltener in Kneipen und Restaurants“, sagt Sandra Jakubassa, „die sitzen nun lieber draußen, und das sieht man.“ Viele brachten sich Essen von Imbissen mit. Einige ließen sich ihr Gericht gleich von einem Lieferdienst an den Osterdeich bringen. Die Reste liegen oft noch am nächsten Morgen da. Bis die Jakubassas kommen und sie verschwinden lassen. Gerade finden keine Großveranstaltungen statt, keine Bundesligaspiele, zu denen Zehntausende über den Deich zum Stadion strömen. Trotzdem sagt André Jakubassa: „So viel Müll wie momentan mussten wir hier noch nie einsammeln.“

Sandra Jakubassa

Sandra Jakubassa (Christina Kuhaupt)

Corona verstärkt Probleme, die schon vor der Pandemie da waren. Seit Jahren wird in Bremen über illegalen Müll diskutiert. Es hat Kampagnen in den sozialen Medien gegeben und Schwerpunktaktionen in den Stadtteilen. Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) ist vor anderthalb Jahren mit einer Journalistengruppe auf der Suche nach Müllhaufen durch Gröpelingen gelaufen, um zu zeigen, dass die Politik die Sache ernst nimmt. Es sei auch etwas passiert seitdem, sagt das Innenressort, die Lage habe sich verbessert. Erste Erfolge in den Stadtteilen, auch wenn immer mal wieder Abfall illegal entsorgt werde, nach wie vor.

Seit der Pandemie, den Eindruck kann man gewinnen, kommen neue Müll-Hotspots dazu. Badeseen, Parks, Wiesen. Bei den alten Hotspots, in Gröpelingen etwa, wo einige Wohnungen überbelegt sind, fängt es ja oft damit an, dass die Mieter zu kleine Tonnen vom Vermieter bekommen. Am Osterdeich dagegen stehen nicht wenige Eimer, im Sommer stellt die Stadtreinigung noch mal 15 Behälter dazu, jeweils 120 Liter, die regelmäßig geleert werden. Der Müll landet trotzdem woanders. Schon vor Corona, aber nun eben öfter. „Es macht schon stutzig, dass das Volumen der Gefäße oft nicht ausgenutzt und der Abfall von den Leuten liegen gelassen wird“, sagt Antje von Horn, Sprecherin der Stadtreinigung, „das ist ein Phänomen, das das Stadtbild nicht unbedingt verbessert.“

Dienstbeginn 8 Uhr

Osterdeich, Freitagmorgen. Am Abend zuvor hat sich der Juli mal wieder ein bisschen nach Sommer angefühlt und nicht wie ein ganz guter April. Am Deich haben sie in kleinen Gruppen getrunken und getanzt. Sie haben Wikingerschach und Flunkyball gespielt, Familienpizzen und Joints geteilt. Am Morgen danach fährt dort um kurz vor 8 Uhr ein Transporter vor. Dienstbeginn für die Jakubassas.

Viele, die zum Deich kommen, schauen erst mal auf die Weser, rüber zum Strand oder Richtung Stadion. Der erste Blick von André Jakubassa geht immer zum selben Mülleimer. Die Tonne steht etwas abseits, in der Nähe des Café Ambiente. Quillt sie über, weiß Jakubassa, dass gestern viel los gewesen sein muss, dass sie vielleicht drei Stunden statt anderthalb brauchen werden, um den Deich zu reinigen. Am Freitag läuft der Eimer nicht über. Ein gutes Zeichen.

Die Jakubassas können nicht jeden Kronkorken auf der Wiese einsammeln, dafür ist der Deich zu groß. Doch Scherben fegen sie immer zusammen.

Die Jakubassas können nicht jeden Kronkorken auf der Wiese einsammeln, dafür ist der Deich zu groß. Doch Scherben fegen sie immer zusammen. (Christina Kuhaupt)

Am Abend zuvor wurde es doch noch frisch, gegen 23 Uhr verließen viele den Deich. Chaotisch sieht es am Freitagmorgen nicht aus. Müll liegt trotzdem auf den Wiesen, so viel, dass die Jakubassas die kleinsten Teile nicht aufsammeln können. „Würden wir uns nach jedem Kronenkorken bücken“, sagt Sandra Jakubassa, „dann wären wir hier den ganzen Tag unterwegs.“ Sie kümmern sich um die Grünflächen der halben Stadt, nicht nur um den Deich. Wenn Zeit bleibt, wie an diesem Tag, kehren sie auch Kippen zusammen, pusten ausgespuckte Sonnenblumenkernschalen mit einem Laubbläser von den Gehwegen.

Die Jakubassas arbeiten sich vor, die Wiese entlang, Richtung Kiosk, Höhe Sielwall. Auf dem Weg fingern sie leere Flaschen aus den Büschen am Weserufer. Sie greifen nach Dönertüten, verschmiert mit Soße. Sie lesen Schachteln auf, in manchen kleben Nudeln, in anderen Burgerreste. Sie falten Pizzakartons zusammen, immer wieder Pizzakartons. Sie heben gebrauchte Masken auf, an diesem Tag eher wenige, meinen sie, manchmal seien bis zu 50 Stück pro Tag. Allein am Osterdeich. „Das muss Gedankenlosigkeit sein“, sagt Stadtreinigungssprecherin von Horn. Eigentlich habe sie gedacht, das Bewusstsein dafür, welche Probleme etwa Plastikmüll mit sich bringe, sei durch die Klimadebatte gestiegen. „Doch inzwischen scheint der Umgang mit Verpackungsresten wieder sorgloser zu sein“, sagt von Horn, „mag sein, dass sich die Leute seit Corona um anderes mehr Sorgen machen.“ Doch es könne nicht nur die Aufgabe der Reinigungskräfte sein, die Grünanlagen vom Müll zu befreien, meint von Horn: „Eine Stadt sauber zu halten, das ist etwas, das man auch als Gemeinschaft erledigen muss.“

Fotos vom dreckigen Deich

Am Deich sind die Jakubassas dort angekommen, wo die Kioskhütte steht und die Fähren ablegen. Die andere Seite. Sie fegen Scherben zusammen, füllen ganze Säcke mit Essensresten. Eine ziemliche Arbeit, vor allem, wenn man sie so gründlich macht wie die beiden. „Ach, geht“, sagt André Jakubassa und zückt sein Smartphone, „es gibt andere Tage.“ Jakubassa hat ein Archiv angelegt, Dutzende Fotos, die einen dreckigen Deich zeigen. Er führt ein Beispiel vor, es stammt vom Sonntag vor einer Woche. Man sieht Scherben vor dem Fähranleger, Plastikbecher, Pizzakartons. Ein Wimmelbild voll Müll. Jakubassa wischt weiter, eine Aufnahme, die etwas später entstanden ist, der Vorher-Nachher-Vergleich: alles sauber. Er wischt noch mal zurück: dreckig. Noch mal vor: sauber.

„Das ist das Schöne an diesem Job: Am Ende hat man immer ein Ergebnis“, sagt André Jakubassa. Früher war er im Gartenbau tätig, seine Frau betreute Menschen mit Demenz. Nun räumen sie zusammen den Deich auf. Sie machen das gerne, sagen sie, doch für ein Feierabendbier würden sie inzwischen nicht mehr an den Osterdeich kommen. Der viele Müll. Da würden sie unmöglich ruhig sitzen bleiben und entspannen können. Manchmal, wenn sie morgens über den dreckigen Deich laufen, fragen sich die Jakubassas, ob es nur ihnen so geht.

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July 26, 2020 at 10:00AM
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1 Response to "Wie ein Bremer Ehepaar gegen die Vermüllung arbeitet - WESER-KURIER"

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