Sie versorgen Menschen und Unternehmen mit Wasser, decken ihren Energiebedarf, bringen ihren Müll weg. Seit anderthalb Jahrhunderten sind Veolia und Suez Erzrivalen im Geschäft mit solcherart elementarer Versorgungsleistungen. Jetzt will das eine französische Unternehmen, Veolia, das andere, Suez, übernehmen. Und das hat Auswirkungen weit über Frankreich hinaus - auch in Deutschland. Denn bei der Operation, die Veolia-Chef Antoine Frérot ankündigt, geht es um nichts weniger als den Zusammenschluss des Weltmarktführers der Versorger-Branche mit seinem schärfsten Verfolger, Nummer eins schluckt Nummer zwei. Es wäre ein Deal über insgesamt 20 Milliarden Euro.
Als er seinen Plan am Montag erläutert, kann Frérot, sonst nicht für Überschwang bekannt, seine Begeisterung kaum verbergen. Ihm biete sich eine "traumhafte Gelegenheit" einen "französischen Super-Champion" zu erschaffen, schwärmt der Konzernchef. Der Plan geht so: Der Veolia-Lenker möchte fast sämtliche Aktien erwerben, die der gegenwärtige Suez-Haupteigner hält, der Pariser Energiekonzern Engie. Gelingt das, wird Veolia danach auch allen anderen Suez-Aktionären deren Anteile abkaufen. Frérot bewertet Suez dabei mit zehn Milliarden Euro, hinzu kommen Firmenschulden in gleicher Höhe. So soll ein neues Unternehmen mit weltweit 260 000 Mitarbeitern und einem Umsatz von 45 Milliarden Euro entstehen. Um Kartellprobleme zu vermeiden, plant Veolia, einige Aktivitäten von Suez an andere Interessenten weiterzureichen.
Es ist kein Zufall, dass Frérot gerade jetzt zuschlägt. Der Veolia-Chef sieht die Corona-Krise, die anderen Unternehmen so zu schaffen macht, als "idealen Zeitpunkt", die eigene Marktmacht zu steigern. Die Pandemie will er sich gleich doppelt zunutzemachen: Zum einen steckt Suez-Großaktionär Engie in Schwierigkeiten und muss sich auf sein Kerngeschäft mit Gas konzentrieren; daraus ergibt sich für Veolia die Gelegenheit zum Einstieg. Zum anderen erwartet Frérot in Kürze einen Schub für sein Geschäft: Die Konjunkturprogramme, mit denen jetzt viele Staaten gegen die Krise ankämpften, seien meist auf mehr Nachhaltigkeit ausgerichtet, so sein Argument. Davon werde der neue, größere Konzern profitieren - zumal Größe entscheidend sei, um umweltfreundliche Technologien zu finanzieren. Als Beispiele dafür nennt Frérot das Recycling sogenannter seltener Erden in Elektronikschrott oder Techniken, mit denen Kohlendioxid gebunden werden soll.
Nach der Übernahme soll der neue Konzern expandieren - auch hierzulande
Infrastrukturleistungen sind traditionell eine französische Domäne. Während das Geschäft in vielen Ländern oft noch kleinteilig organisiert ist, bildeten sich in Frankreich im Zuge eines langen Konzentrationsprozesses große Akteure wie Veolia und Suez heraus. Ihre Vorgängerfirmen wurden im 19. Jahrhundert zur Wasserversorgung französischer Großstädte gegründet; Suez war, wie der Name erahnen lässt, außerdem am Bau und Betrieb des gleichnamigen Kanals in Ägypten beteiligt. Heute arbeiten beide Unternehmen in aller Welt im Auftrag von Kommunen und privaten Betrieben.
In Deutschland machen sie etwa dem Remondis-Konzern der westfälischen Familie Rethmann Konkurrenz. Veolia versorgt zum Beispiel die Stadt Braunschweig mit Energie und Wasser, Suez entsorgt unter anderem Spezialabfälle in mehreren Landkreisen Baden-Württembergs. Nach dem geplanten Zukauf, sagt Frérot, wolle er in Deutschland expandieren. Selbst in den deutschen Firmenzentralen würden trotz der Übernahme keine Mitarbeiter überflüssig. "Das Geschäftswachstum wird ihnen Arbeit geben", versichert er.
Im Stammland Frankreich ist die Lage diffiziler. Hier soll das Wassergeschäft von Suez an einen Investitionsfonds abgetreten werden. Frérot beherzigt damit eine Lektion: 2012 war ein erster Übernahmeversuch am Hindernis drohender Marktdominanz gescheitert. Weitere, kleinere Verkäufe könnten in Großbritannien und Australien nötig werden.
Insgesamt aber geht es Frérot darum, zuzulegen - und darum, den Vorsprung vor Rivalen wie Remondis und aufstrebenden chinesischen Konkurrenten zu halten. Kommt es zur Übernahme, halten Veolia und Suez gemeinsam dennoch weniger als fünf Prozent am Weltmarkt, rechnet Frérot vor. Soll heißen: Die Aussichten auf weiteres Wachstum sind bestens.
Ob die Übernahme klappt, ist offen. Suez teilte am Montagabend mit, seine Unabhängigkeit bewahren und an seiner eigenen Strategie festhalten zu wollen. Der französische Staat, der Ankeraktionär von Engie ist, hat Frérot im Vorfeld aber offenbar Wohlwollen zugesagt. An der Börse glauben daher auch alle an den Deal: Die Anleger stürzten sich am Montag auf Suez-Aktien, in der Erwartung, dass Veolia sie ihnen abkauft; die Papiere gewannen 20 Prozent.
August 31, 2020 at 11:35PM
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